1. THEMENBEREICH: Waldschutz / Forstwirtschaft

1.1 KOMMENTAR ZU „ENDE DER FICHTENPLANTAGE“

Der Spiegel Nr. 24 / 2022 S. S. 92A (Autorin: Susanne Götze)

 

Juni 2022

 

Resümee

Leider wird die Diskussion über den Wald und besonders über die Fichte immer ideologischer und bisweilen emotional polarisierend geführt. Um hierbei nicht immer nur die lautesten Schreier zu Wort kommen zu lassen, habe der Spiegel mit seinen akribisch recherchierten Beiträgen, ebenso wie andere Medien, die dies gleicherweise tun, eine wichtige Funktion bei der Versachlichung des öffentlichen Diskurses. 

 

 

Es ist das Verdienst der Spiegel-Redaktion „Wissen“, die Diskussion über Klima-, Umwelt-, Natur-, Arten-, und auch Waldschutz mit intensiv recherchierten, anschaulich illustrierten und verständlich formulierten Beiträgen zu bereichern und zu verstetigen. Dieses Ziel verfolgt sicherlich auch der Beitrag zu den Fichtenplantagen. Aufgrund seiner Kürze kann er jedoch das Fichten-Problem des deutschen Walds und die kontroversen Meinungen zu diesem Thema nur sehr oberflächlich darstellen.

 

Natürlich ist das Problem viel komplexer und verlangt viele grundlegende Kenntnisse über die Anatomie und Physiologie der Baumart Fichte, deren natürliche geografische Verbreitung, deren abiotische und biotische Gefährdungen und deren ökonomische Bedeutung für die Waldbesitzer, die Verwertungskette und die Volkswirtschaft sowie auch deren Nutzungsgeschichte.

In meinen unten stehenden „Anmerkungen zur aktuellen Borkenkäfer-Problematik in unseren Wäldern“ habe ich z. B. ausgeführt dass das Desaster in den Dürrejahren 2017-2020 vielerorts „hausgemacht“ war. Es hätte diese Bilder wie im Harz und an vielen anderen Orten nicht geben müssen, hätte man flächendeckend ein permanentes Borkenkäfer-Monitoring sowie eine gezielte Prävention und -Bekämpfung flächendeckend praktiziert.

 

Im Schwarzwald sind und waren solche Bilder mit vergleichbar großflächig absterbenden Fichtenwäldern kaum zu sehen, obwohl die Temperaturen zumindest in den unteren und mittleren Höhenlagen deutlich höher sind als in den Hochlagen des Harzes.

Noch extremere Bedingungen während Hitze- und Dürreperioden müssen die Fichten in der Oberrheinebene aushalten, die es dort vielerorts einzeln oder in kleinen Gruppen in Gärten, Parks oder in der Feldflur sogar in Weinbergen - gibt. Diese überlebten dort, weil keine lokalen Borkenkäfer-Populationen vorhanden sind, die ihnen gefährlich werden könnten. Gegen Hitze und Trockenheit allein erweisen sich diese Fichten aber als erstaunlich resilient.  

 

Meine lapidare Schlussfolgerung lautet somit im Gegensatz zum Befund im Spiegel-Beitrag:

 

Fichten-Plantagen: Nein. Mischwälder mit einer dem jeweiligen Standort angepasster Beteiligung der Fichte: Ja! 

Ca. 70 Jahre alte Fichte in einer nach Westen exponierten Rebanlage nahe Auggen im Markgräflerland südlich von Freiburg i.Brsg.
Ca. 70 Jahre alte Fichte in einer nach Westen exponierten Rebanlage nahe Auggen im Markgräflerland südlich von Freiburg i.Brsg.

1.2 ANMERKUNGEN ZUR AKTUELLEN BORKENKÄFER-PROBLEMATIK IN UNSEREN WÄLDERN

August 2020

 

1.  Resümee

Hitze und Trockenheit setzen unseren Wäldern in einem Ausmaß zu, wie es in diesem und letzten Jahrhundert nie der Fall war. Immer wieder auftretende Winterstürme zerstören vielerorts das Bestandesgefüge und verschärfen Austrocknungseffekte. Nicht rechtzeitige Entfernungen von Sturmholz entfachen Borkenkäfer-Befall allerorts.

Die Reduzierung von Forstpersonal, das immer größere Flächen betreuen muss, und von betriebseigenen Waldarbeitern war und ist kontraproduktiv bei der Bewältigung von Schadereignissen, die immer häufiger eintreten. Aber  auch das Knowhow für eine effiziente  Prävention und Bekämpfung von Borkenkäfern sind vielerorts nicht optimal vorhanden. Zu starre Rechtsvorschriften und mangelnde Akzeptanz in der Bevölkerung tragen ebenfalls dazu bei, weil die irrige Meinung transportiert wird, die Fichte gehöre nicht (mehr) in unsere Wälder und der Einsatz von Insektiziden ist grundsätzlich des Teufels. Dabei geht es darum. dass manche Bewirtschaftungsformen und Standorte nicht für die Fichte geeignet sind und sie anfällig macht für Sturm- und Borkenkäferschäden. Diese Fehler müssen in Zukunft vermieden werden durch standortgemäße Baumartenwahl und Bewirtschaftungsformen. Wird die Zahl der potenziellen Brutbäume durch Absenkung der Fichten-Anteile reduziert, lassen sich auch bei höheren Temperaturen die Borkenkäfer besser unter Kontrolle halten und Kalamitäten des aktuellen Ausmaßes vermeiden. 

 

2.  Wodurch werden Borkenkäfer-Kalamitäten ausgelöst?

Zweifellos stellen die Borkenkäfer neben den Stürmen die größte Gefahr vor allem für die fichtenreichen Waldgebiete in Mitteleuropa dar.  Borkenkäfer-Kalamitäten sind eine Erscheinung, die schon seit 150 Jahren in Mitteleuropa belegt ist. Deswegen kann man auch die aktuelle Kalamität  nicht allein dem Klimawandel zuschreiben. 

Folgende zwei essentielle Voraussetzungen für die Entstehung einer Borkenkäfer-Massenvermehrung (Gradation), die zu großen Schäden (Kalamität) führt, müssen gegeben sein:

  • Es muss im Frühjahr zum ersten Flug der Käfer umfangreiches attraktives Brutmaterial vorhanden sein, um eine örtliche Massenvermehrung der gefährlichsten Borkenkäferart, des Buchdruckers (Ips typographus) auszulösen. Dies ist vor allem nach großen Sturm- und Schneebruch-Ereignissen gegeben, wenn das Schadholz nicht rechtzeitig beseitigt oder vor Ort brutuntauglich gemacht wird.
  • Dem Sturmereignis folgen  trocken-heiße Witterungs-Perioden während der Vegetationsperioden in den Folgejahren, dazu oft noch weitere Sturmereignisse in den folgenden Wintermonaten oder Gewitterstürme im Sommer.

Beide Voraussetzungen waren in Südwestdeutschland in letzten 30 Jahren nach den Stürmen “Wiebke“ (1990),“Lothar“ (999) und „Burglind“ (2018) immer wieder gegeben. Bei „Kyrill“ (2007) blieb eine größere Kalamität in BW weitgehend aus, weil zum einen der Sturmholzanfall geringer war und zum anderen die Sommer in den Jahren 2007 bis 2010 nicht so extrem heiß und trocken waren wie nach den anderen Sturmereignissen. Dies zeigen die anlegenden Grafiken zu den “zufälligen Nutzungen (= nicht planmäßige) Holznutzungen aufgrund von Schadereignissen) für die Jahre 1986-2019. Die als Insektenholz bezeichneten Nutzungen bestehen immer fast zu 100% aus borkenkäferbedingten Holznutzungen.

Jedoch gilt auch für trocken-heiße Sommer: Ohne erhöhte Borkenkäfer-Populationen in der Nähe hält die Fichte erstaunlich große Hitze und Trockenheit aus. Dies zeigen z. B. auch viele einzeln stehende Fichten oder Fichtengruppen im Siedlungsbereich und in der Feldflur in der Oberrheinebene. Diese oft bis 80 Jahre und älteren Bäume haben bis dato alle extremen Stürme, Hitze, Dürre und Käferjahre gut überstanden.

Einmal liegt es daran, dass die Fichte nicht auf allen Standorten, wie oft behauptet, flach wurzelt.

Sie tut das auf staunassen Böden und auf Böden, die im Untergrund eine dichte Tonschicht aufweisen. Auf lockeren, steinigeren und sandigeren Böden wurzelt auch die Fichte tiefer. Am tiefsten wurzelt sie in steilen Felswänden, was man überall hierzulande sehen kann.

Weiterhin besitzen Fichten-Nadeln eine dicke Wachsschicht und eingesenkte Spaltöffnungen und haben damit einen sehr wirksamen Verdunstungsschutz. 
Also: Fichte gleich Flachwurzler und deshalb nicht widerstandsfähig gegenüber Trockenheit trifft nicht generell zu!

Während in den letzten drei Jahren viele Fichten in sehr warmen Gebieten überlebten - ich muss nur aus dem Fenster schauen -  brachten die Borkenkäfer tausend Meter höher rund um den Feldberg im Sommer 2018 und 2019  an vielen Orten ganze Fichtenbestände flächig zum Absterben.

Aufgrund dieses Sachverhalts sollte man die Modelle zur künftigen Verbreitung der Fichte in BW, die hauptsächlich an Durchschnittstemperatur- und -niederschlagswerten orientiert sind, einmal genauer daraufhin überprüfen, wie hoch der Anteil von Hitze und Trockenheit  und wie hoch der Borkenkäfer-Effekt aufgrund der Vernachlässigung der "sauberen Wirtschaft einzustufen" ist. Einer der "Forstschutz-Päpste" des letzten Jahrhunderts hat ein ganzes Buch über "Wald-Hygiene" geschrieben. Er beschreibt darin alle wichtigen Präventiv-Maßnahmen gegen Borkenkäfer-Massenvermehrungen.

Dass die kühlere Witterung oberhalb 1.000 m ü. NN im Schwarzwald keine Versicherung gegen massiven Borkenkäfer-Befall mehr ist, zeigt der Bannwald „Napf“ am Feldberg, den ich schon seit 1994 im Visier habe. Zu diesem Bannwald gibt es eine auf meine Initiative durchgeführte Untersuchungen zur Ausbreitung des Borkenkäfer-Befalls in einem nicht bewirtschafteten Waldgebiet, deren Ergebnisse auch veröffentlicht wurden. Auch ein sehr kalter Winter bringt nicht viel bezüglich der Mortalität der Käfer: Diese Borkenkäfer sind bis an die alpine und nördliche Verbreitungsgrenze der Fichte verbreitet, wo sie zwei Jahre für die Entwicklung vom Ei zum Vollkern benötigen anstatt zwei Monate und weniger bei uns.

 

3.  Wie kann der Borkenkäfer-Befall eingedämmt werden?

In trocken-heißen Sommern, wenn aufgrund der kurzen Entwicklungszeit vom Ei zum Vollkern der Befall explosionsartig fortschreitet, darf keine Totenbestattung von Bäumen mit ausgeflogenen Käfern erfolgen, zumal wenn die Holzpreise im Keller sind. Bei großen Befallsfronten mit noch besiedelten Stämmen hilft meist nur noch die „Ultima Ratio: die Anwendung von zugelassenen Insektiziden der Wirkstoffgruppe Pyrethroide ist in solchen Not-Situationen auch ökologisch vertretbar.

Diese Insektizide dürfen nur auf die gefällten Stämme an Wegen, also nicht flächig ausgebracht werden. Sie trocknen schnell an und die Gefahr, dass nach der Behandlung z. B.  Bienen oder andere nützliche oder harmlose Insekten zu   Schaden kommen, ist gering. 

Leider ist diese in Ausnahme-Situationen wirksame und gesundheitlich wie ökologisch vertretbare Maßnahme vielerorts nicht möglich oder massiv erschwert, weil viele Waldbesitzer ihre Wälder nach PEFC oder gar nach FSC zertifizieren ließen oder eine Schutzgebiets-Verordnung  den Einsatz von Insektiziden grundsätzlich ausschließt. Es scheint auch immer weniger Forstpersonal und Waldbesitzer mehr bereit zu sein, diese „Notbremse“ zu ziehen, auch wenn die entsprechenden Verordnungen Ausnahmen zulassen. Es droht den Leuten der Pranger bzw. neudeutsch ein Shitstorm, nicht nur in den örtlichen Medien, sondern auch im Internet. Dann verweist man doch lieber gleich auf den Klimawandel, der den Käfer unbeherrschbar macht. Das findet eher Akzeptanz in der Öffentlichkeit.

Dass eine wirksame Borkenkäfer-Bekämpfung durchaus möglich ist, zeigen z. B. die Schutzzonen, die an den Grenzen zu den Wirtschaftswäldern in den Nationalparks (NP) Bayerischer Wald und Schwarzwald ausgewiesen wurden.

Im NP Bayerischer Wald war ich selbst daran beteiligt, als ich 1998 Mitglied einer vom zuständigen Staatsministerium eingeladenen internationalen  Experten-Kommission war: Diese hat meinen Vorschlag einer 500m breiten Schutzzone übernommen. Dies geschah nicht zur Freude des damaligen Ministers und des NP-Direktors, der immer wieder die Ungefährlichkeit des Borkenkäfers beschworen hatte. 

Ich konnte mich auf Befunde von Untersuchungen von Sturm-Bannwäldern   stützen, die nach „Wiebke“ 1990 in BW ausgewiesen wurden und sozusagen den Borkenkäfer-Worst-Case darstellten, weil auf diesen Flächen alles Sturmholz liegen blieb und auch recht trocken-warme Sommer dem Sturmereignis folgten.

Die vorgeschlagene Zone im NP Bayerischer Wald, in der eine permanente und konsequente Überwachung und Bekämpfung der Borkenkäfer durchgeführt wurde und wird, hat einen massiven Durchbruch der Befalls-Fronten und damit Schadensersatzforderungen der Waldbesitzer an den NP, die für den Fall des Durchbruchs zugesagt waren, weitgehend verhindern können.

Nur durch Übernahme dieses Systems konnten im Nordschwarzwald in der heißen Phase der Diskussion um den Nationalpark die Gemüter der vielen angrenzenden Waldbesitzer beruhigt werden.

Im Herbst 2019 sagte mir der Leiter des NP Schwarzwald, die Schutzzone halte noch und sie zeichne sich schon jetzt als grünes Band um den NP herum ab. Wenn allerdings die angrenzenden Waldbesitzer nicht mitziehen und die Zone von beiden Seiten attackiert wird, wird sie wohl nicht zu halten sein.

Was die Käfergefahr in den letzten zwei Jahrzehnten neben Sturmschäden, Hitze und Trockenheit zusätzlich sozusagen hausgemacht erhöht hat, ist die gängige Praxis, rund ums Jahr bei der Holzernte Harvester (Vollernter) einzusetzen. Da werden Sommerhiebe durchgeführt und das Holz bleibt im Bestand oder an der Waldstraße liegen, wo sich die Käfer in Rekordzeit munter entwickeln können. Vielleicht werden die Stammholz-Abschnitte manchmal noch rechtzeitig vor Ausflug der Jungkäfer abgefahren. Es bleiben aber oft noch beträchtliche Restholz-Haufen, hauptsächlich Gipfelstücke, verstreut im Wald liegen.

Dieses Restholz besteht  meist auch aus dickeren Stücken, die Zeitbomben darstellen, weil sie ideale Brutstätten für Borkenkäfer sind. Dies wird von den Verantwortlichen oft viel zu wenig beachtet.

Der häufig an diesen Orten zu beobachtende angrenzende Stehendbefall in unmittelbarer Umgebung der Haufen ist aber der untrügliche Beweis.

Ob in der Endabrechnung der Harvester-Einsatz deshalb immer die wirtschaftlichste  Lösung bei der Holzernte ist. darf angesichts der z. T. beträchtlichen Folgeschäden bezweifelt werden, wenn dem Harvester nicht stante pede die Abfuhr und der Häcksler folgen.

Für die klassische Ernte mit der Motorsäge stehen immer weniger betriebseigene ortskundige Waldarbeiter zur Verfügung. Auch in der Forstwirtschaft haben die Werkverträge mit privaten Unternehmern ihren Siegeszug angetreten. Manche Maschinenführer kennen sich in den Karpaten besser aus als im Schwarzwald oder im Westerwald.

 

4.  Anmerkungen zur Wiederbestockung abgestorbener Waldflächen

Was die Wiederbestockung der aktuell aufgrund von Trockenheit und Käferbefall freigelegten Waldflächen betrifft, halte ich es für reinen Aktionismus, wenn sich Bund und Länder mit  Master-Plänen und vielen Millionen Euro für Waldbesitzer   gegenseitig überbieten. Vielmehr ist Besonnenheit und Geduld angezeigt.

Dazu gehört eine sorgfältige Bestandsaufnahme und eine Analyse aller Rahmenbedingungen, bevor man Millionen Forstpflanzen in den Boden reinhaut, die wenig später vertrocknen, erfrieren, von Mäusen abgenagt oder vom Wild verbissen werden.

Aus den Erfahrungen nach den Stürmen  „Wiebke“ 1990 und „Lothar“ 1999 kann man hier in BW gut aufbauen. Diese vom Sturm kahl gelegten Freiflächen waren in allen Regionen des Landes vorhanden. Die Forstliche Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) BW, an der ich bis 2012 die Abteilung Waldschutz geleitet habe, hat viele Wiederaufforstungs-Varianten bis hin zu natürlichen Sukzessionsflächen wissenschaftlich betreut und ausgewertet. Man muss sich aber die Zeit nehmen und zumindest die Zusammenfassungen der zahlreichen einschlägigen Veröffentlichungen lesen, die sich mit diesem Thema wie natürlich auch mit dem Borkenkäfer-Thema befassen.

Man sollte m. E. auch die Fichte unbedingt weiterhin als Mischbaumart mit berücksichtigen aufgrund ihrer großen ökologischen Breite. Man findet sie noch immer von der Ebene bis zur alpinen Baumgrenze und von den europäischen Mittelmeer-Ländern  bis zur nördlichen Baumgrenze in Skandinavien und Russland. Geringere Flächenanteile dürften künftig auch die Gefahr durch Sturm und Borkenkäfer deutlich mindern. Jüngere Fichten haben im Gegensatz zu anderen Baumarten hier in BW nur wenige Forstschutz-Probleme, wenn keine überhöhten Rot- und Gamswildbestände vorhanden sind. Da überall noch Samen-Bäume stehen, verjüngt sie sich natürlich, auch dort, wo Birken, Aspen und Weiden zunächst einen Vorwald bilden. Es entstehen also keine Pflanzkosten.

Gut überstanden haben die Hitze und Trockenheit bislang neben der Tanne (außer auf flachgründigen Sommerhang-Standorten) die Eiche und die Linde, aber z. B. auch der Feldahorn, dem man an Waldrändern und in Gehölzen in wärmeren Regionen mehr Beachtung schenken sollte. 

Im übrigen gibt es landesweit zahlreiche Arboreten, wie z. B. in FR-Günterstal in Baden-Baden oder der berühmte Exotenwald in Weinheim. Dort hat sich in den letzten Jahren mit Sicherheit gezeigt, welche Baumarten von den mittleren geografischen Breitengraden Asiens und Nordamerikas oder solche aus südlicheren europäischen Gefilden die immer häufigeren Hitze- und Trockenperioden bisher gut überstanden haben.

Dazu zählen sicherlich nicht mehr Thuja und Tsuga aus den Regenwäldern der nordamerikanischen Westküste, wo sie auch schon absterben. Die Douglasien haben sich bei uns vielerorts bewährt. Da bisher meist die Küsten-Variante „viridis“ gepflanzt wurde, sollte man künftig bei uns auch die trockenresistentere kontinentale Form „glauca“  mit berücksichtigen.

Hier sollte sich der Naturschutz offener zeigen für neue Wege mit nicht autochthonen Baumarten. Es geht ja nicht darum, jetzt riesige Plantagen mit vielleicht auch nur vermeintlich trockenresistenten Baumarten anzupflanzen. Die ausgedehnten Eukalyptus-„Wälder“ in Portugal und Nordspanien sowie die tausende Hektar umfassenden  Kiefern-Monokulturen in den Landes in Südwest-Frankreich sollten ein abschreckendes Beispiel sein. Viele dieser Wälder werden immer wieder Opfer von Stürmen und von infernalischen Waldbränden.

In Baden-Württemberg ging die Reise schon seit langem weg von den Fichten-Reinbeständen hin zu naturnäheren, stabileren Mischbeständen. Dass Herr Wohlleben und andere Kritiker unserer Forstverwaltung da den Zug wohl verpasst haben mit ihren Talkshow-Tiraden auf die Monokulturen und Fichten-Holzäcker, die nur dem Profit dienen, ist offensichtlich. Seit meinem Eintritt in die Landesforstverwaltung BW 1975 sank der Fichtenanteil in BW von ca. 45% auf ca. 35% heute. 

In meiner Zeit im Forstamt Gaildorf (Kreis Schwäbisch Hall) von 1986 bis1989 wurden viele Hektar Fichten-Reinbestände bereits mit Tannen und Buchen unterpflanzt bei allen Besitzarten. Es gab dafür erhebliche Fördermittel als Präventiv-Maßnahme gegen das damals noch aktuelle Waldsterben 1.0 und wegen der Sturmanfälligkeit der Fichtenbestände auf den dortigen Keuper-Standorten.

Die Beschleunigung des Waldumbaus war neben der Verbesserung der Luft-Qualität  ein sehr positiver Effekt der seinerzeitigen Diskussionen um das Waldsterben in den 1980-er Jahren.

 


1.3 ANMERKUNGEN ZUR WELTWEITEN WALDBRAND-SITUATION

August 2021

 

Seit 2012  bin ich im Ruhestand und verfolge die Klimafolgen für die Wälder weiterhin mit großem Interesse. Als Forstwissenschaftler mit Spezialisierung im Fach Waldschutz war ich in meiner aktiven Dienstzeit bereits in den 1990-er Jahren mit den Folgen des Klimawandels in den Wäldern Südwestdeutschlands konfrontiert: Nach den Sturmtiefs „Wiebke“ (1990) und „Lothar“ (1999) mit  Millionen Kubikmetern Sturmholz galt es schon damals, in den nachfolgenden trocken-heißen Sommern vor allem die Borkenkäfer im Zaum zu halten. Das extreme Trocken- und Hitzejahr 2003 hatte vielerorts verheerende Folgen bei nahezu allen Baumarten in allen Höhenlagen, um nur einige Beispiele zu nennen.

Womit ich während meiner Dienstzeit nie etwas zu tun hatte, waren Waldbrände. Davon blieb BW bisher noch (!) fast völlig verschont, Aber die Häufigkeit und das Ausmaß der Waldbrände in Ostdeutschland, vor allem in Brandenburg, machen einen schon sehr besorgt.

Mich hat aber vor allem eine dpa-Meldung aus Russland im Juni wieder hochgeschreckt, wonach in Sibirien im ersten Halbjahr 2020 bereits 1,4 Millionen Hektar Wald abgebrannt sind. Das entspricht ziemlich genau der gesamten Waldfläche von Baden-Württemberg. Nur auf ca. 10% der Brandfläche waren Löschtrupps unterwegs, um die Brände einzugrenzen. 

2019 sind laut dpa in Russland bereits ca. 110.000 qkm Waldfläche abgebrannt. Das entspricht etwa der gesamten Waldfläche von Deutschland. 

2021 herrschte wieder eine außerordentliche Hitze und Dürre in großen Teilen Russlands und wieder brannten Wälder. Das Ausmaß ist mir noch nicht bekannt. Es dürfte ähnlich oder noch größer sein.

Nach einem Bericht in der Badischen Zeitung vom 28.08.21, der sich auf eine auf russischen Quellen basierende AFP/dpa-Meldung bezieht, sind im Sommer 2021 bislang 17,3 Mio. Hektar Waldfläche verbrannt. Das entspricht einer Fläche, die 1,7 Mal so groß ist wie die gesamte Waldfläche in Deutschland. Allein in der sibirischen Teilrepublik Jakutien brannte mit 9,9 Mio. eine Fläche die fast der deutschen Waldfläche entspricht.

 

Der Bericht erwähnt, dass 9.000 Hilfskräfte und 32 Löschflugzeuge zur Bekämpfung der Brände im Einsatz waren. Angesichts der Dimensionen der Brände kann das nur ein Tropfen auf den heißen Stein gewesen sein. 

Die Folgen der Brände für das Klima infolge der Freisetzung riesiger CO2-Mengen sowie für Flora und Fauna scheinen in Russland kein Anlass zu sein, die Löschkapazitäten massiv hochzufahren. 

Natürlich werden diese Brände dem Klima nicht zuträglich gewesen sein. Addiert man die Brandflächen vom übrigen Europa, Nord- und Südamerika sowie im übrigen Asien und in Australien dazu, so kommt allein für 2019 bis 2021 eine gigantische Summe an Brandfläche und damit auch eine CO2-Freisetzung in die Atmosphäre zusammen zusätzlich zum CO2 aus anderen natürlichen Quellen und der Verbrennung fossiler Energieträger.

 

Mit Stand Oktober 2020 waren an der nordamerikanischen Westküste bereits mehr als 15.000 qkm Wald abgebrannt und es brennt ja noch immer. Von den verlorenen Menschenleben und gigantischen Verlusten von Hab und Gut ganz zu schweigen.

Der Aufschrei hierzulande hält sich in Grenzen. Man macht sich nur lustig über Präsident  Trumps unmöglichen Auftritt im Katastrophen-Gebiet in Kalifornien.

2021 hat sich auch an der USA-Westküste und im kanadischen Britisch Kolumbien bei Rekord-Temperaturen und -Dürre das Szenario wiederholt.

Tatsache ist dass durch diese Mega-Waldbrände viele Millionen Kubikmeter des nachwachsenden Rohstoffs und CO2-Speichers Holz, aber auch viele Wald-Tiere, die nicht vor der Feuerwalze davonfliegen oder sich in Erdhöhlen verkriechen können, vernichtet werden. Angesichts des weltweiten Populationsschwunds vieler Arten ein zusätzliches Desaster, dem viel mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden müsste.

Was ist zu tun?

Das Management der Prävention und Bekämpfung riesiger Waldbrände muss meines Erachtens eine Aufgabe der Weltgemeinschaft bzw. von überregionalen länder- und staatenübergreifenden Institutionen sein. 

Dafür müssten die reichen Länder wie Deutschland im eigenen Interesse viel mehr finanzielle, personelle, materielle und technische Ressourcen bereitstellen und viel mehr mit den stark betroffenen Ländern im Mittelmeerraum, aber auch z. B. mit Russland kooperieren.

Russlands Waldfläche ist mit ca. 8 Mio. qkm 80 mal so groß wie die Deutschlands mit rund 0,1 Mio. qkm. Die Bevölkerung von Russland ist mit 144 Mio. Einwohnern nicht einmal doppelt so groß wie unsere. Da kann man sich leicht ausrechnen, dass dort nicht alle 10 km eine Freiwillige Feuerwehr stationiert ist und einen Flächenbrand schnell mal löschen kann. Ein so dichtes Netz mit befahrbaren Waldwegen wie bei uns gibt es in der Taiga und auch in anderen Ländern, gerade auch im Mittelmeerraum, nicht.

 

Deswegen ist in Sachen Waldbrände die UNO bzw. zumindest die EU und eine „Koalition der Willigen“ der großen CO2-Emittenten gefragt. Sie müssten über eine Task Force mit internationalen Waldbrand-Spezialisten in ihren zentralen und dezentralen Einsatzstäben verfügen, die während der Waldbrand-Saison an Brennpunkten stationiert werden. Sie müssten schnell einsatzbereit sein und über das modernste technische Equipment zur Beobachtung, Aufdeckung und Eindämmung von Waldbränden, vor allem über eine

ausreichende Zahl einsatzbereiter Lösch-Flugzeuge und -Helikopter,

verfügen. Hier darf wie in anderen Bereichen des Katastrophenschutzes, der auch Klimafolgen-Schutz ist, nicht gekleckert werden! Die Folgekosten des Nichtstuns oder unzulänglicher Prävention sind meist um ein Vielfaches höher als die der Prävention (s. Hochwasser-Katastrophe in Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen oder Corona Krise). 

Diese internationalen Aktivitäten müssen natürlich im Rahmen von internationalen Kooperations-Abkommen mit den jeweils betroffenen national zuständigen Behörden und Institutionen erfolgen.

 

Um bei Russland zu bleiben: Die borealen Nadelwälder, zu denen die russische Taiga gehört, sind die Lunge der eurasischen nördlichen Hemisphäre. Diese geht uns alle etwas an über alle politischen und ideologischen Differenzen hinweg. Gleiches gilt natürlich für alle übrigen weltweiten Waldbrand-Hotspots auf den anderen Kontinenten.

So sieht aktuell die Kooperation Deutschlands mit anderen Ländern aus: Gestern (07.08.21) wurde im ZDF gemeldet, dass NRW und Hessen einen Feuerwehr-Konvoi mi 19 Lösch-Fahrzeugen nach Griechenland schickt, um die dortigen Kräfte bei den seit Tagen an vielen Orten wütenden Bränden (Fläche bisher 600 qkm). Der Konvoi erreicht am 12.08. den Einsatzort. Da wird es noch ein paar Brände geben, aber für das Inferno um Athen und andere Orte kommt die Hilfe zu spät.

Bei den Bankrettungsaktionen 2010 war man deutlich schneller seitens D und der EU.

Aber über die eigentliche Hilfe, nämlich Löschflugzeuge und-Helikopter  verfügt Deutschland kaum, obwohl die Waldbrandgefahr auch bei uns gestiegen ist.

 

Gerade SW-Deutschland war bislang weitgehend verschont. Die Gefahr steigt aber von Jahr zu Jahr. Wir haben gerade in den Mittelgebirgen z. T. hohe Nadelholz-Anteile, die während Dürre-Perioden wie Zunder brennen. Steile Lagen sind nur schlecht mit Forstwegen erschlossen, so dass hier luftgestützte Einsätze unerlässlich sind. 

So könnte z. B. für den Schwarzwald, die Vogesen und den Jura im Dreiländereck ein trinationaler Einsatzstab geschaffen werden. Es gibt hier mehrere Flugplätze, die als Standort hierfür infrage kämen.

Ebenfalls wäre ein Standort im Grenzgebiet Rheinland-Pfalz, Saarland, Belgien, Luxemburg zu finden für Hunsrück, Eifel und die Ardennen.

Das Hochwasser an der Ahr hat uns gelehrt, das Undenkbare in Zeiten des Klimawandels zu denken. Das Handeln sind wir unserer Bevölkerung und den kommenden Generationen schuldig. Wenn aber weiterhin nur danach schauen, ob sich diese Investitionen nach kurzfristigen betriebswirtschaftlichen Prinzipen von Wirtschafts-Unternehmen rechnen, wird man bei der Katastrophen-Prävention scheitern. 

 

Der Verfasser dieser Schrift, Ltd. Forstdirektor a. D. Dr. rer. nat. Hansjochen Schröter, war von 1990 bis 2012 Leiter der Abteilung Waldschutz bei der Forstlichen Versuchs- und Forschungsanstalt (FVA) Baden-Württemberg in Freiburg i. B.

 

Veröffentlichungen des Verfassers u. a. in fva-bw.de und in waldwissen.net

Brücke der historischen Eisenbahn bei Kelowna, British Columbia Kanada. Vor dem Brand im Jahr 2000 

Brücke der historischen Eisenbahn bei Kelowna, British Columbia Kanada. Nach dem Brand im Jahr 2003 



November 2023

 

Nachdem die Waldbrandflächen 2022 nicht so extrem groß waren, wurden im Sommer 2023 wieder große Waldflächen in Europa, Nordafrika und Nordamerika ein Raub der Flammen. Dabei kamen auch viele Menschen und ihr Hab und Gut zu Schaden.

 

In Europa waren die Mittelmeerländer und Portugal stark betroffen. 

 

Aber auch in Deutschland kam es zu einer größeren Anzahl von Bränden, vor allem im Bundesland Brandenburg. Die Brände konnten meist relativ schnell gelöscht werden, weil das Knowhow zur Einschätzung des Risikopotenzials und zu den Bekämpfungsstrategien sich bei den zuständigen Institutionen aufgrund der Erfahrungen aus den zurückliegenden Jahren offensichtlich deutlich verbessert hat.

 

Genaue Zahlen zu den Waldbränden findet man im Internet, z. B. bei Wikipedia oder bei dem Global Fire Monitoring Centre beim Max-Planck-Institute for Chemistry, Freiburg i. B. (Leiter: Prof. Dr. J. G. Goldammer).

 

Dennoch möchte ich anhand der Waldbrandsituation in Kanada das Ausmaß der diesjährigen Brände dort vor Augen führen:

In Kanada wurden bis zum 25.11.2023 6.660 Brände gezählt. Die Fläche umfasste insgesamt 185.000 qkm (Quelle: Wikipedia).

Es waren alle Provinzen und Territorien betroffen. 

Das gigantische Ausmaß wird deutlich, wenn man die Brandfläche mit der gesamten Waldfläche von Deutschland vergleicht, die „nur“ 106.660 qkm umfasst. Das sind ca. ein Drittel der Landesfläche. 

Die Brandfläche in Kanada entspricht somit nahezu der halben Landesfläche Deutschlands. 

Wie im Jahr 2003 waren auch wieder Wälder in der Umgebung von Kelowna (Britisch Kolumbien) betroffen. Die Fotos meines Neffen Andreas vom August 2023 zeigen die lodernden Flammen am Ostufer des Lake Okanagan, wo wieder mehrere Tausend Hektar Wald abbrannten. 

 

Die riesigen Waldbrandflächen 2023 sollten ein Weckruf und eine Mahnung an die Politik und die national und international zuständigen Institutionen sein, noch mehr Ressourcen für die Prävention, Überwachung und wo notwendig vor allem Bekämpfung der Waldbrände zur Verfügung zu stellen. Auch dies sind wichtige Investitionen für den Klimaschutz, die allererste Priorität genießen müssen - auch in Deutschland.

 

Aktuell werden viele Waldbrände aus Brasilien gemeldet, wo eine Hitze- und Trockenperiode herrscht, die durch das Klimaphänomen „El Nino“ verstärkt wird. 

 

Bis Ende November wurden in Brasilien schon mehr als 3.000 Brände gezählt. Neben Wäldern im Amazonasbecken sind auch Wälder im größte Binnen-Feuchtgebiet der Welt, dem Pantanal, das halb so groß wie Deutschland ist, von Bränden betroffen. Und die Trockenzeit hält noch an und betrifft auch Waldgebiete in anderen Länder in Südamerika.